Nach „Tag X“ in Leipzig: Das kosten die linksextremistischen Krawalle den Steuerzahler

Der „Tag X“ hat ein politisches Nachspiel. Der Leipziger Stadtrat hat mit der Aufarbeitung begonnen und dabei auch die Rolle der Versammlungsbehörde kritisch hinterfragt.

Anderthalb Wochen nach den gewaltsamen linksextremistischen Ausschreitungen am sogenannten „Tag X“ hat am Mittwoch im Leipziger Stadtrat die politische Aufarbeitung der Ereignisse des ersten Juni-Wochenendes begonnen. Dabei ging es auch um die Rolle der Stadt Leipzig und ihrer Versammlungsbehörde. Diese hatte zwar mehrere Demonstrationen an diesen Tagen verboten. Trotzdem war es zu Unruhen gekommen, bei denen Dutzende Polizisten und Demonstranten verletzt wurden. Ob die Grundrechtseinschränkungen verhältnismäßig waren, darüber gingen die Auffassungen im Stadtrat auseinander.

Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) verteidigte die Entscheidung der Versammlungsbehörde, alle Demonstrationen mit Bezug zu den Antifa-Ost-Verfahren um die zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilte linke Gewalttäterin Lina E. zu untersagen. Schon seit Mitte 2022 sei für diesen „Tag X“ mobilisiert und mit massiver Gewalt gedroht worden. Die Stadtverwaltung habe daher kein milderes Mittel gefunden, um eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern. Das Grundgesetz, so Rosenthal, schütze nur das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Nicht zuletzt rechtfertigt die Schadensbilanz aus Rosenthals Sicht die Verbotsentscheidungen. Der Schaden, den die Kommune an dem Wochenende insbesondere durch brennende Barrikaden zu beklagen hat, beläuft sich auf mehr als eine Viertelmillion Euro. Konkret sind es bei den Leipziger Verkehrsbetrieben 175.000 Euro durch ein zerstörtes Straßenbahn-Rasengleis in der Karl-Liebknecht-Straße, 95.000 Euro aufgrund von Brandschäden an der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur sowie 115 verbrannte Mülltonnen, die zu ersetzen mehrere Tausend Euro kosten wird. Insgesamt fuhr die Feuerwehr an diesen beiden Tagen 85 Einsätze.

Grüne: Großer strategischer Fehler

Die Grünen-Fraktion, so deren ordnungspolitischer Sprecher Norman Volger, hält die Versammlungsverbote, aber auch die stundenlange polizeiliche Einkesselung von mehr als 1000 zum Teil minderjährigen Teilnehmern einer vom Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek angemeldeten und nicht unter das Verbot gefallenen Demonstration am 3. Juni für „einen großen strategischen Fehler und rechtlich fragwürdig“.

Die danach geäußerte Kritik an seinem Fraktionskollegen durch Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und die CDU nannte Volger ein „gefährliches, wahltaktisches Spiel“ im Vorfeld der Kommunalwahlen im kommenden Jahr. Jung, der aufgrund seiner in Brüssel zeitgleich stattfindenden Wahl zum Präsidenten der Städtevereinigung Eurocities nicht an der Ratsversammlung teilnehmen konnte, hatte mit Verständnislosigkeit darauf reagiert, dass Kasek angesichts der ohnehin zugespitzten Lage an dem ersten Juni-Wochenende die Demonstration für den 3. Juni angemeldet hatte, die aus letztlich aus dem Ruder lief und Polizeikessel endete. Sie war weithin als Ersatz für die verbotenen Demos gewertet worden.

Linke: Stadt muss Rechte von Minderjährigen verteidigen

In dem Polizeikessel, dessen Aufarbeitung aktuell im Landtag stattfindet, sieht Linken-Stadträtin Juliane Nagel einen Skandal. „Der Stadt kommt hier insbesondere die Rolle zu, die Rechte von Minderjährigen gegenüber der Polizei zu verteidigen und klare Regularien für die Zukunft festzulegen“, sagte sie.

CDU: Leipzig hat ein Problem mit Linksextremismus

Karsten Albrecht (CDU) warf linken Politikern dagegen vor, mit der Debatte über Minderjährige im Polizeikessel „Nebelkerzen“ zu zünden und von der Gewalt, die von Linksextremen ausging, abzulenken. Auf der einen Seite wolle man, dass 14-Jährige im Jugendparlament Verantwortung übernehmen, 16-Jährige sollen Wahlrecht erhalten. Albrecht: „Wer der Aufforderung der Polizei, den Platz zu verlassen, nicht folgt, hat eine eigene Entscheidung getroffen“. Das Gewaltmonopol liege einzig bei der Polizei. Zweck des staatlichen Gewaltmonopols sei es, willkürliche Machtausübung durch einzelne Bürger und gewaltsame Durchsetzung von Partikularinteressen zu verhindern. „Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus, aber Leipzig hat ein Problem mit Linksextremismus“, stellte Albrecht fest.

AfD: Rot-Rot-Grün bagatellisiert, relativiert, applaudiert

Für Roland Ulbrich (AfD) kamen die Ausschreitungen nicht unerwartet. „Gewalttätige Linksextremisten konnten sich in unserer Stadt von jeher ungehemmt austoben. Und die rot-rot-grüne Ratsmehrheit sieht zu, bagatellisiert, relativiert, applaudiert, verhätschelt die Kriminellen und schiebt den Schwarzen Peter der Polizei zu.“

SPD: Wo Fehler passiert sind, Verantwortung übernehmen

„Ich hätte meinen Kindern abgeraten, an einem solchen Tag zu einer Demonstration zu gehen“, räumte SPD-Fraktionschef Christopher Zenker ein. Dennoch täte die Stadt gut daran, „ihre Entscheidung vor dem Hintergrund des hohen Gutes der Demonstrationsfreiheit selbstkritisch zu hinterfragen, ganz unabhängig von gerichtlichen Überprüfungen“. Die Polizeiführung müsse sich ebenso kritisch hinterfragen und dort, wo Fehler passiert sind, Verantwortung übernehmen. Zenker: „Sollte das ausbleiben, ist zu befürchten, dass die Zahl der Menschen, seien es betroffene junge Menschen selbst, deren Umfeld oder deren Eltern, die an unserer Polizei zweifeln und sie womöglich ablehnen, steigen wird. Das kann nicht in unserem Interesse liegen.“

FDP: Der gute Zweck heiligt nicht die Mittel

Die Versammlungsverbote hätten bei ihm durchaus ein „ungutes Gefühl“ ausgelöst, räumte Sven Morlok (FDP) von der Freibeuter-Fraktion ein. Möglicherweise habe die Stadt da Fehler gemacht. Denn die Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut. Zugleich warnte er aber davor, Gewalt zu relativieren: „Stellen sie sich vor, man hätte gegen die Aufnahme von Flüchtlingen demonstriert oder sich für verstärkte Abschiebung eingesetzt.“ Wie wäre dann bei einigen im Stadtrat die Bewertung der Polizeimaßnahmen ausgefallen, fragte Morlok. „Wir müssen ganz klar sein, dass der gute Zweck nicht die Mittel heiligt“, sagte er. „Hier ist in der Vergangenheit etwas schiefgelaufen, auch in Leipzig.“

LVZ